Europas Wissen setzt sich aus Sprachen zusammen. Sprachen sind semantische und symbolische Systeme, die aus weit mehr als Worten, Lauten und Buchstaben bestehen. Es sind Texturen, die sich aus Alltäglichem, Unausgesprochenem, Mythischem, Gewohntem und Wiedererkennbarem knüpfen. Sie umgeben uns, sind mehr oder weniger erkennbar, oftmals nur noch in ihrer Spur vorhanden, wie jener helle Abdruck auf der Backsteinmauer eines Gebäudes in Hamburg, den man nur anhand einer alten Fotografie als Spur eines nationalsozialistischen Emblems identifizieren kann. Solchen Spuren, solchen splitterhaften Texten, solchen brèves, solchem am Rand Gesagten ist diese Rubrik gewidmet. Es geht dabei um das Umwerten von Begriffen und Traditionen und deren Nutzbarmachung für eine zeitgemäße Denkpraxis.

 

Progressive Kunstinstitutionen?
Von Nina Möntmann

Gardar Eide Einarsson, Künstler, geboren 1976 in Oslo, lebt und arbeitet in New York und Berlin. In seinen Arbeiten befragt Einarsson die Funktionsweise von symbolischen Formen, wie sie uns im Alltag begegnen: an der Autobahn, auf Wahlplakaten, in der Werbung. Mit einem Witz und einer Erzählweise, die sich oft der bildlichen Narrationen des Kinos bedient, konstruiert Einarsson auf diese Weise Konfigurationen von Bildern, die unsere Repräsentationen des Alltags ins Rutschen bringen. Dabei wendet der Künstler immer auch den Blick auf das Umfeld, in dem seine Bilder erscheinen: auf die Kunstinstitution selbst.


Gardar Eide Einarsson, Black Flag (Liberty), 2004, Embroidered cotton and grommet, 147,5 x 241 cm
courtesy: Nils Stærk Contemporary Art, Copenhagen; STANDARD (OSLO), Oslo; and Team Gallery, New York

Gardar Eide Einarsson, untitled (those in power), 2005, Vinyl text on wall, Variable dimensions
(Installation view, Opacity, Gallery UKS, Oslo, 2005)
courtesy: Nils Stærk Contemporary Art, Copenhagen; STANDARD (OSLO), Oslo; and Team Gallery, New York

Gardar Eide Einarsson, Tokyo underworld (the fast times and hard life of an american gangster in Japan),
2006, Acrylic paint on canvas, 160 x 240 cm
courtesy of Erling Kagge Collection, Oslo, and STANDARD (OSLO), Oslo

Gardar Eide Einarsson, [not yet titled], 2006, Inkjet print on Epson archival paper / framed,
95,5 x 120 cm / 105,5 x 123,5 cm (framed)
courtesy of private collection, Basel, and STANDARD (OSLO), Oslo

 

Symbolruinen
Von Jens E. Sennewald

Lida Abdul, Künstlerin, geboren 1973 in Kabul. Afghanistan. Lebte als Flüchtling in Deutschland und Indien, bevor sie in die USA gelangte. Dort Abschluss an der University of California, Irvine. Es folgten zahlreiche internationale Ausstellungen. Seit kurzem wieder zurück in Kabul, hat sie gerade eine Anthologie mit Schriften über Afghanistan veröffentlicht.


Lida Abdul, After War Games. What we saw upon awaking, 2006,
Projection CAC Brétigny, 2006, Courtesy of the artist

Lida Abdul, After War Games. What we saw upon awaking, 2006,
Projection CAC Brétigny, 2006, Courtesy of the artist

Lida Abdul, After War Games. What we saw upon awaking, 2006,
Projection CAC Brétigny, 2006, Courtesy of the artist
 

Lida Abdul, White House, 2005, Video Still,
Courtesy of Giorgio Persano Gallery

Lida Abdul, White House, 2005, Video Still,
Courtesy of Giorgio Persano Gallery

Lida Abdul, Public Ritual, 2005,
Video Still, Courtesy of Giorgio Persano Gallery
 

 

Images, sons, images, textes : Passages des signes.
Von Alexandre Castant

Aymeric Vergnon-d'Alançon widmet sich nach Studien der Literatur und Philosophie inzwischen ganz der Fotografie (Installationen, Verknüpfungen von Bild/Text, fotografische "Reportagen"...). Er hat an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen. Seit 1998 ist er am Fresnoy-Studio national des arts contemporains. Dort realisierte er seine ersten Kurzfilme und auch einen ersten längeren Film auf Video. Seitdem verfolgt er die Arbeit mit Video und Film (letzter Film La Veille). Vor Kurzem wurde eine exemplarische Auswahl seiner Arbeiten, Forschungen zwischen Text/Bild und Fotografie/Video/Kino in der Galerie Nationale du Jeu de Paume gezeigt. Die Internetseite www.a-travers.net zeigt dieses Programm vollständig.


Aus der Videoinstallation LIQUIDATION (2002)


Aus dem interaktiven Werk PORTRAITS D'AMOURS LOINTAINES (2002)

Aus der Fotoserie DANS LE BLEU DU MONDE (1998)

Film-Still aus LIGATURE (2003)

Aus der Videoinstallation MOSCOU-KLIN (2003)

 

Dem Innern ein Kerker
Von Jens E. Sennewald

Frauke Hänke, Claus Kienle, arbeiten als bildende Künstler in Hamburg. In ihren seriellen Gummigrafien nehmen sie immer wieder Themen des Raumes und der Konfiguration auf. So in "Le code", einer Gummigrafie auf Holz, die den Blick aus einer Pariser Hochhauswohnung zeigt, in die man nur gelangt, wenn man den richtigen Türcode kennt. Die Holztafeln können freilich auch in anderer Reihenfolge gehängt werden... Die Serie "angenehmes Wohnen" besteht aus auf Kissen belichteten Fotografien von Wohnräumen. Die Pflanzen zur Zimmerdekoration sind farbig aufgestickt. So entsteht ein vielschichtiges Spiel zwischen Innen- und Außenraum, Bild und Realität.


Claus Kienle, Le code
je 17,5 x 43 cm, Gummigrafien auf Holz, 2002

Frauke Hänke, Angenehmes Wohnen
je 42 x 32 cm, Gummigrafien/Stickgarn auf Stoffkissen, 2003

Frauke Hänke, Angenehmes Wohnen
je 42 x 32 cm, Gummigrafien/Stickgarn auf Stoffkissen, 2003

Frauke Hänke, Angenehmes Wohnen
42 x 32 cm, Gummigrafien/Stickgarn auf Stoffkissen, 2003

 

Erinnerungsbild
Von Andrea Gnam

Amin El Dib, Fotograf, geboren in Kairo, Ägypten, lebt heute in Basel. In seinen Serien behandelt El Dib immer wieder das Thema der Reise und des Deplatziert-Seins. Dabei spielen die Bilder in der Ästhetik mit typischen Reise-Erinnerungsfotos. Doch ihre Perfektion in der Behandlung von Licht und Schatten zeigt: die Spuren, die hier ins Bild gebannt werden, sind Spuren der Erinnerung.


Ankunft in Ägypten - Zwischenstopp in Hurghada

Vor dem Tal der Könige in Luxor

Helene als Mumie im Sand

Blick vom Minarett der Ibn Tulun Moschee auf Kairo

 

Lappen
Von Jens E. Sennewald
Sylvia Bataille, freie Künstlerin, Illustratorin und Architektur-Fotografin, lebt und arbeitet in Paris. Die hier gezeigten Bilder (zum Vergrößern anklicken) sind Teil eines Buch-Projektes, an dem sie derzeit arbeitet.


_personne ne l'avait vu venir_

_le spectre de l'insécurité_

_cette fraternité impressionnante_

_une victoire qui ne veut rien dire_

 

"Mein Kampf", farce ... und Vorhang!
Von Nicolas Hubé