![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
"Und so gewiss die allernächste Wirkung des sokratischen Triebes auf eine Zersetzung der dionysischen Tragödie ausging, so zwingt uns eine tiefsinnige Lebenserfahrung des Sokrates selbst zu der Frage, ob denn zwischen dem Sokratismus und der Kunst nothwendig nur ein antipodisches Verhältnis bestehe und ob die Geburt eines "künstlerischen Sokrates" überhaupt etwas in sich Widerspruchsvolles sei. Jener despotische Logiker hatte nämlich hier und da der Kunst gegenüber das Gefühl einer Lücke, einer Leere, eines halben Vorwurfs einer vielleicht versäumten Pflicht. Oefters kam ihm, wie er im Gefängnis seinen Freunden erzählt, ein und dieselbe Traumerscheinung, die immer dasselbe sagte: "Sokrates, treibe Musik!" [...] Jenes Wort der sokratischen Traumerscheinung ist das einzige Zeichen einer Bedenklichkeit über die Grenzen der logischen Natur: vielleicht - so muss er sich fragen - ist das mir Nichtverständliche doch nicht auch sofort das Unverständige? Vielleicht gibt es ein Reich der Weisheit, aus dem der Logiker verbannt ist? Vielleicht ist die Kunst sogar ein nothwendiges Correlativum und Supplement der Wissenschaft?" |
![]() |
![]() |
Friedrich Nietzsche : Die Geburt der Tragödie [1871]
|